Reihe „Schätze der Rauenberger Kirchengemeinde - Erbe unserer Ahnen“

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21.04.13: Die Kreuzigungsgruppe von 1775
Hinter der Kirche am Ende der Wilhelm-Weihrauch-Straße befindet sich auf einem kleinen Platz zwischen zwei Kastanienbäumen eine Kreuzigungsgruppe aus der Barockzeit. Ursprünglich stand diese Kreuzigungsgruppe auf dem Kirchhof am Chor der Barockkirche (1745-1910), die sich auf dem Platz befand, auf dem heute das katholische Pfarrzentrum steht. Diese Kreuzigungsgruppe hatte einen Vorgänger, nämlich ein Holzkreuz, das am Eingang der spätromanischen Kirche (um 1200-1744) stand. Der Landwirt Johann Michael Fischer, der von 1676 bis 1745 lebte und von 1733 bis 1745 Schultheiß war, hatte es vor dem Jahr 1743 als Station der jährlichen Fronleichnamsprozession gestiftet. Zu demselben Zweck ließen Johannes Wachter und seine Ehefrau Maria Eva geb. Fellhauer 1775 die Kreuzigungsgruppe auf dem Kirchhof neben dem Chor der Kirche errichten. Johannes Wachter lebte von 1716 bis 1775. Er war Bäcker und Müller und seit 1772 der erste Wirt des Gasthauses „Zum goldenen Löwen“. Die Stifter waren auf der rechten Seite des Barocksockels, der nicht mehr erhalten ist, erwähnt worden. Dort hieß es: „In dem jar, da man zehlte 1775, hat mit / seiner Ehefrau Maria Eva dieses kreutz / errichtet der geweset bürger Johannes / Wachter, seines alters 64, dessen seel / ruhe in friden“. Als die 1907-1910 im neugotischen Stil erbaute heutige Kirche fertiggestellt war, wurde die alte Kirche 1910 abgebrochen und die Kreuzigungsgruppe auf Anordnung von Pfarrer Wilhelm Weihrauch (1904-1925) an die nördliche Begrenzungsmauer der neuen Kirche an der Wieslocherstraße versetzt. Unter Pfarrer Franz Sessler (1925-1931) wurde die Kreuzigungsgruppe dann auf der rechten Seite des Kirchenvorplatzes aufgestellt als Pendent zum Kriegerdenkmal auf der linken Seite, das für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet worden war. Die quadratischen Flächen um das Kriegerdenkmal und um die Kreuzigungsgruppe waren mit Steinen eingefasst, mit Blumen und Sträuchern bepflanzt und mit einem niedrigen Eisengitter eingezäunt. Nachdem die Kreuzigungsgruppe 180 Jahre Wind und Wetter ausgesetzt war, zeigte der Schilfsandstein allmählich Risse und begann an einigen Stellen zu verwittern. Eine im Jahr 1955 unter Pfarrer Hermann Neuhäuser (1950-1961) angeordnete fachmännische Untersuchung der Kreuzigungsgruppe ergab, dass sich wegen der vorhandenen großen Schäden eine Restaurierung nicht mehr lohnte. Daher erhielt der Frankfurter Bildhauer Franz Bernhard den Auftrag, eine genaue Nachbildung der Kreuzigungsgruppe zu schaffen. Er wählte dazu einen lange haltbaren Jura-Kalkstein aus Lons-le-Saunier in Frankreich. Am Sonntag, den 27. Mai 1956, wurde dann die am alten Standort vor der Kirche aufgestellte Kopie der Kreuzigungsgruppe von Abt Albert Ohlmeyer vom Stift Neuburg unter großer Beteiligung der Bevölkerung feierlich eingeweiht. 1966 wurde unter Pfarrer Adam Schmitt (1961-1969) die eingelagerte originale Kreuzigungsgruppe von 1775 trotz ihrer großen Schäden mit einem erheblichen Kostenaufwand restauriert und auf dem Südhang der Weinberggewanns „Burggraben“ aufgestellt. Unter Pfarrer Raimund Melzer (1969-1980) wurde der Kirchenvorplatz neu gestaltet. Dabei wurde sowohl das Kriegerdenkmal als auch die Nachbildung der Kreuzigungsgruppe von 1775 entfernt. Da das Original der Kreuzigungsgruppe, das seit 1966 inmitten der Weinberge auf dem „Burggraben“ stand, durch die Witterung schon wieder schadhaft geworden war, wurde es 1976 durch die 1956 aus Jura-Kalkstein geschaffene Nachbildung an derselben Stelle ersetzt, von wo sie seitdem weiß leuchtend und weithin sichtbar auf das Angelbachtal herunter grüßt. Als im Zuge der Durchführung des Wohnumfeldprogramms im „AltenStadtkern“ (1981-1993) die Wilhelm-Weihrauch-Straße ausgebaut und der Kirchenvorplatz neu gestaltet wurde, wurden 1986 die vom Rauenberger Steinmetz Karl Steidel restaurierten originalen Figuren und der aus Schilfsandstein nachgebildete Sockel der Kreuzigungsgruppe von 1775 hinter der Kirche auf einem quadratischen Platz am Ende der Wilhem-Weihrauch-Straße aufgestellt, wo sie sich heute noch befinden.

Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe

Die als Kreuzigungsgruppe bezeichnete Darstellung der Kreuzigung Christi zusammen mit seiner Mutter Maria, seinem Jünger Johannes und weiteren Personen hat im Christentum in der bildenden Kunst eine lange Tradition. Im Laufe der Zeit bildeten sich verschiedene Arten von Kreuzigungsgruppen heraus, die jeweils eine bestimmte Situation der Kreuzigung Christi darstellen. Seit der Barockzeit ist bei einer Kreuzigungsgruppe die Darstellung der Drei- oder Vierfigurengruppe vorherrschend. Dabei wird auf den Gefühlszustand der einzelnen Figuren ein besonderes Augenmerk gelegt.

Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe

Die Rauenberger Kreuzigungsgruppe von 1775 besteht aus vier Figuren. Die zentrale Person in der Mitte ist der ans Kreuz geschlagene gestorbene Christus. Sein mit Dornen gekröntes Haupt ist leicht nach rechts geneigt. Blut rinnt aus der Wunde an seiner Seite. Der auf beiden Seiten aufgebauschte Schurz, der mit einem Strick um den Leib gebunden ist, zeigt die typische barocke Form. Zur Rechten des gekreuzigten Christus steht seine Mutter Maria. Sie ist bekleidet mit einem reich gefalteten langen Gewand, das von einem Gürtel zusammengehalten wird. Um ihre Schultern hängt ein langer Mantel. Als Kopfbedeckung trägt sie einen Schleier. Ihre Hände, die ein Tuch zum Trocknen ihrer Tränen halten, sind zur Anbetung des gekreuzigten Christus gefaltet, dem sie ihr schmerzvolles Gesicht zuwendet. Maria ist hier dargestellt als Mater Dolorosa, als Schmerzensmutter, mit einem Schwert (heute nicht mehr vorhanden), das ihr Herz durchbohrt. Diese in der christlichen Kunst bei einer Kreuzigungsgruppe traditionelle Darstellung der Schmerzen Marias als Mater Dolorosa, der ein Schwert in die Brust dringt, bezieht sich vor allem auf das biblische Seherwort Simeons an Maria bei der Weihe ihres Sohnes Jesus im Tempel: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lukas, 2, 35). Die mittlere Figur stellt Maria Magdalena dar, eine von den Frauen, die Christus nachfolgten und ihm auf seinem Leidensweg bis zur Kreuzigung treu geblieben sind. Sie ist von ihrem Schmerz überwältigt auf die Knie gesunken und umklammert mit ihren Armen den Kreuzesstamm. Sie ist mit einem langen von einem Gürtel zusammengehaltenen gefalteten Gewand bekleidet. Ihre aufgelösten Haare, die bis zum Gürtel reichen, werden von einem langen Schleier bedeckt. Ihr vom Schmerz gezeichnetes Gesicht richtet sie voller Verzweiflung auf den gekreuzigten Christus. Zur Linken des gekreuzigten Christus steht sein Lieblingsjünger Johannes, bekleidet mit einem langen Gewand und einem Umhang, der an der rechten Schulter hängt und mit einem ausladenden Bausch um seine linke Hüfte liegt. Seine zum Gebet gefalteten Hände sind nach oben erhoben. Sein Gesicht umgeben von schulterlangem Haar blickt voller Schmerz und Trauer auf den gekreuzigten Christus empor. Am Fuße des Kreuzes liegt ein Totenschädel, dessen Funktion verschieden gedeutet wird. Entweder soll er auf die in der Bibel „Golgatha“ genannte Hinrichtungsstätte, was „Schädelstätte“ heißt, hinweisen oder er soll auf den beim Erdbeben während der Kreuzigung Christi aus dem Boden getretenen Schädel Adams hindeuten, dessen Schuld beim Sündenfall durch den Kreuzestod Christi gesühnt wird, oder er soll auf den durch Christus überwundenen Tod zeigen.

Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe

Der nicht mehr erhaltene Originalsockel der Kreuzigungsgruppe von 1775, der aus der 1956 von dem Frankfurter Bildhauer Franz Bernhard geschaffenen Nachbildung rekonstruiert werden kann, war aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Die an den Kanten gerundete Abdeckplatte, die im mittleren Teil breiter war als an ihren beiden Enden, ruhte auf einem vorspringenden Mittelteil, der die Hauptinschrift trug, und auf den beiden Seiten auf je einem mit einer Volute verzierten zurückgesetzten Seitenteil. Die Inschrift auf dem in Barocker Form geschwungenen Mittelteil, die von Akanthusblattwerk eingerahmt war, lautete: „O Herr Jesu, durch die Wunden dein / wollst mir armen sünder gnädig sein / durch die hoffe endlich zu erlangen / die ewige seeligkeit mit verlangen / sehet wohl dass ihr nit übel sterbet“. Auf der linken Seite des Mittelteils stand der Spruch: „Nit holtz noch stein beten wir an sondern Christum, so gehangen dran“. Die rechte Seite enthielt die oben zitierte Inschrift, die das Ehepaar Johannes und Maria Eva Wachter als Stifter und das Jahr der Stiftung nannte. Bei den beiden nachgebildeten Sockeln aus Jura-Kalkstein und aus Schilfsandstein wurden diese Inschriften auf der linken und auf der rechten Seite des Mittelteils weggelassen. Auf der Vorderseite steht nur noch der erste Teil der ursprünglichen Inschrift: „Herr Jesu / durch die Wunden dein / wollst mir armen Sünder / gnädig sein“.
Dr. Dieter Wagner

Wir wünschen Ihnen eine frohe und gesegnete neue Woche
Ihr Förderverein Kirche

11.06.13: Kreuzigungsgruppe im Gewann „Burggraben“
Wie Sie aus dem historischen Bericht von Dr. Dieter Wagner entnommen haben, hatten die beiden Kreuzigungsgruppen Original und Nachbildung in Laufe der Zeit verschiedene Standorte in Rauenberg. Die Kopie der Kreuzigungsgruppe, die wir Ihnen heute vorstellen hat die genaue Lage: 49° 15' 54 Nord und 8° 42' 29 Ost. Es ist ein besonderes Ausflugsziel für Ihren Sonntagsspaziergang mit der ganzen Familie. Sie haben einen wunderbaren Blick auf Rauenberg und ins Angelbachtal.
Standorte der Kreuzigungsgruppe:
„Eine im Jahr 1955 unter Pfarrer Hermann Neuhäuser (1950-1961) angeordnete fachmännische Untersuchung der Kreuzigungsgruppe ergab, dass sich wegen der vorhandenen großen Schäden eine Restaurierung nicht mehr lohnte. Daher erhielt der Frankfurter Bildhauer Franz Bernhard den Auftrag, eine genaue Nachbildung der Kreuzigungsgruppe zu schaffen. Er wählte dazu einen lange haltbaren Jura-Kalkstein aus Lons-le-Saunier in Frankreich. Am Sonntag, den 27. Mai 1956, wurde dann die am alten Standort vor der Kirche aufgestellte Nachbildung der Kreuzigungsgruppe von Abt Albert Ohlmeyer vom Stift Neuburg unter großer Beteiligung der Bevölkerung feierlich eingeweiht. Da das Original der Kreuzigungsgruppe, das seit 1966 inmitten der Weinberge auf dem „Burggraben“ stand, durch die Witterung schon wieder schadhaft geworden war, wurde es 1976 durch die 1956 aus Jura-Kalkstein geschaffene Nachbildung an derselben Stelle ersetzt, von wo sie seitdem weiß leuchtend und weithin sichtbar auf das Angelbachtal herunter grüßt. Im Jahre 1976 wurde die Kreuzigungsgruppe auf dem Südhang des Weinberggewanns „Burggraben“ aufgestellt.“

Blick in Vergangenheit:
Nun leuchtete die Kreuzungsgruppe über Rauenberg und Edgar und Hermine Stier verloren ihr Herz an dieses Denkmal. Edgar Stier übernahm nicht nur die Pflege des Kreuzes sondern er gestaltete auch den Platz um das Kreuz. Da das Kreuz am Südhang des Weinberggewanns „Burggraben“ aufgestellt wurde, gab es keine Möglichkeit eine Sitzbank aufzustellen. Mit Hilfe des Vereins für Naturschutz Rauenberg wurde dieses Problem gelöst. Das Gelände rund um das Kreuz wurde mit Trockenmauern befestigt, sodass heute eine Sitzbank zum Aufenthalt einlädt. Diese Arbeiten führte Edgar Stier zusammen mit Dr. Hartmut Link, ein Spezialist für Trockenmauern, aus. Es entstand einer der schönsten Aussichtspunkte von Rauenberg mit einer tollen Aussicht ins Angelbachtal.
Edgar Stier erzählte über viele Begegnungen, die er an der Kreuzigungsgruppe erleben durfte. In seiner Erinnerung ist ihm besonders ein Ehepaar aus Heidelberg geblieben. Sie besuchten regelmäßig dieses Kreuz um sich an diesem Ort Kraft für ihren Alltag zu holen. Es gibt auch heute noch Menschen, die glauben, dass dieser Ort mitten in der unberührten Natur das „harmonische Einschwingen in die kosmische Umwelt“ fördert.
Durch Vandalismus wurde das Kreuz vor Jahren schwer beschädigt. Edgar und Hermine Stier sammelten bei Ihren Familienfesten für die Renovierungsarbeiten der Kreuzigungsgruppe. Alle Gäste spendeten großzügig für diesen Zweck und die Kreuzigungsgruppe konnte wieder in ihren Originalzustand versetzt werden. Die vergangen 50 Jahre gingen nicht spurlos an dem Wegkreuz vorüber. Es entstanden Verwitterungserscheinungen, die mit einer Spezialfarbe aus Lons-le-Saunier in Frankreich erfolgreich behandelt wurden. Auch diese Aktion war eine Initiative von Edgar Stier. Dank seiner Spende konnte die Renovierung auch finanziert werden.
Nach Jahrzehnte langer Fürsorge für dieses Kreuz und für den Platz fällt es ihm nicht leicht, die Patenschaft an die Pfarrgemeinde zurück zu geben. Gesundheitliche Gründe machen diesen Schritt notwendig.
Der Förderverein Kirche St. Peter und Paul möchte auf diesem Wege Edgar und Hermine Stier „Vergelt´s Gott“ und Danke sagen für Ihren besonderen Einsatz für den Erhalt und der Pflege dieser Kreuzigungsgruppe.

Blick in die Zukunft
Ohne zu Zögern übernimmt Robert Klefenz das Ehrenamt von Edgar Stier. Er wird sich in Zukunft mit viel Liebe und Sorgfalt um den Erhalt der Kreuzanlage kümmern. Damit auch in Zukunft dieser Platz ein Platz der Ruhe und Stille, ein Ort für ein Gebet oder ein Aussichtspunkt für die Bewunderung der schönen unberührten Natur sein kann.
Wir wünschen Robert Klefenz viel Freude mit seiner Patenschaft und viele schöne Begegnungen mit interessanten Menschen an dieser Kreuzigungsgruppe.

Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe Die Kreuzigungsgruppe