Reihe „Schätze der Rauenberger Kirchengemeinde - Erbe unserer Ahnen“

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(Fortsetzung)

06.06.16: Das katholische Pfarrzentrum - 3. Die Barockkirche (1747 – 1910)
Baugeschichte
Die um 1200 erbaute und 1683 erweiterte spätromanische Kirche in Rauenberg war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die auf etwa 430 Einwohner angewachsene Bevölkerung zu klein geworden. Als der Fürstbischof von Speyer Kardinal Damian Hugo von Schönborn (1719-1743), der Landesherr, Ortsherr und Kirchenherr von Rauenberg war, wegen des Baues des neuen Verwaltungsgebäudes des speyerischen Amtes Rotenberg in den Jahren 1737 bis 1740 einige Male in Rauenberg weilte, brachten ihm die Einwohner von Rauenberg mehrmals ihr Anliegen vor, dass er ihnen bei der Erweiterung der zu klein gewordenen Kirche behilflich sein möge. Auf die wiederholten Bitten der Rauenberger Untertanen hin beschloss der Kardinal 1743, die Rauenberger Kirche zu erweitern. Der Fürstbischof, der sich im Bauwesen hervorragend auskannte und immer wieder selbst für seine Baumaßnahmen Grundrissskizzen zeichnete, entwarf selbst eine Grundrisskizze, in der sich an die bestehende Kirche im Westen ein zentralisierender kreuzförmiger Hauptteil mit angehängter Sakristei anschloss. Er schickte seinen Werkmeister Johann Georg Stahl mit dem von ihm entworfenen und bereits fertiggestellten Grundriss der Kirchenerweiterung nach Rauenberg, um den Bürgern klar zu machen, dass zu Erweiterung der Kirche zunächst der Kirchhof vergrößert werden müsse. Die Gemeinde Rauenberg, die sich sofort dazu bereit erklärte, dankte dem Fürstbischof für seine Ankündigung, die Kirche zu erweitern, am 4. April 1743 in einem Dankschreiben und versprach die Stiftung einer ewigen Messe am Namenstag des Kardinals. Von Schönborn lehnte die Stiftung des Anniversariums ab und stellte klar, dass er nicht die ganze Kirchenerweiterung alleine übernehme, sondern nur das an der Kirche bauen werde, wozu er als Kirchenherr verpflichtet sei. Die Gemeinde brach, wie vom Fürstbischof geheißen und in allen Einzelheiten beschrieben, die alte Kirchhofmauer zum größten Teil ab, ebenso den im Kirchhof an der Kirchhofmauer befindlichen Keller. Der Maurermeister Konrad Riedtel aus Malsch wurde beauftragt, die neue Umfassungsmauer, die ungefähr 146 m lang war, zu bauen. Dabei wurden die noch brauchbaren Steine der alten Mauer und des abgebrochenen Kellers wieder verwendet. Um Auffüllmaterial für den vergrößerten Kirchhof zu gewinnen, wurde der Kirchhof 1 Schuh, das sind ca. 30 cm, abgetragen. Weiteres Auffüllmaterial wurde von einem Hohlweg, der ein Teil des Frauenweilerwegs war, herangeschafft. Die Arbeiten an der neuen Kirchhofmauer, die im April 1743 begonnen wurden, wurden nach drei Monaten beendet. Die Arbeitskosten, die 195 Gulden betrugen, wurden von Gemeinde bezahlt, da sie nach einer seit dem Mittelalter geltenden Festlegung die Kirchhofmauer zu bauen und zu unterhalten hatte.
Als am 19. August 1743 der Fürstbischof von Speyer Kardinal Damian Hugo von Schönborn gestorben war, sind die Arbeiten zur Kirchenerweiterung ins Stocken geraten.
Unter seinem Nachfolger, dem Fürstbischof von Speyer Franz Christoph von Hutten (1743-1770), kam der Plan einer Kirchenerweiterung nicht zu Verwirklichung. Der Fürstbischof Franz Christoph von Hutten ließ die spätromanische Kirche bis auf den Turm abbrechen und 1745-1747 nach den Plänen des Werkmeisters Johann Georg Stahl eine Barockkirche erbauen. Die Maurerarbeiten führte der Maurermeister Konrad Riethel von Malsch aus. 1746 wurden 107 Stamm Bauholz für den Kirchenbau von Philippsburg nach Rauenberg tranportiert. Der Zimmergeselle Joseph Aufträtter übernahm für 400 Gulden die Zimmerarbeiten. 1747 waren alle Arbeiten an der neuen Kirche fertiggestellt. Am 1. März 1747 dankte die Gemeinde Rauenberg dem Fürstbischof Franz Christoph von Hutten, dass er in seiner Gnade die Kosten des Kirchenbaus übernommen und die Gemeinde damit geschont hätte. Zwei Jahre später, am 27. März 1749, ließ der Fürstbischof aber durch seine Hofkammer der Gemeinde Rauenberg mitteilen, dass er als Kirchenherr nur verpflichtet sei, den Chor, den Turm und den Helm zu bauen und zu unterhalten und dass die Gemeinde die irrigerweise von ihm übernommenen Kosten für den Bau des Langhauses zurückzuerstatten hätte. Im selben Jahr, am 10. August 1749, wurde die Barockkirche dann vom Speyerer Weihbischof Jahann Adam Buckel geweiht und am selben Tag 750 Jugendliche aus Rauenberg und den umliegenden Gemeinden gefirmt.


Baubeschreibung Der Zugang zur Kirche erfolgte an der Ostseite des Turms, der auf ca. 34 m erhöht worden war. Im Innern des Erdgeschosses des Turms, das ehemals der Chorraum der spätgotischen Kirche war, führte eine Treppe zur Empore. An den Turm schloss sich an der Westseite das Langhaus an, das 14 m breit und 18 m lang war. Es besaß eine gewölbte Decke und war 16,5 m hoch. An der Süd- und an der Nordseite hatte es einen Eingang und fünf Fenster und an der Ostseite zwei Fenster. An der Westseite des Langhauses folgte der Chorraum, der 8 m breit und 5,5 m lang war und an jeder Seite ein Fenster besaß. Seine Decke war ebenfalls gewölbt, aber nur 12 m hoch. An den Chorraum war die Sakristei angehängt, die 2,5 m breit und 2,5 m lang war und 3 Fenster hatte. Somit hatte die Barockkirche eine Gesamtlänge von 34 m.


Ausstattung Im Chorraum stand der von dem Speyerer Bildhauer Vinzenz Möhring 1753 geschaffene barocke Hochalter der Kirchenpatrone St. Peter und Paul, der aber wegen Geldmangels erst 1774 gefasst wurde. Auf dem Tabernakel befand sich ein vergoldeter Pelikan, der Christus symbolisierte. Dahinter stand ein großes Altarkreuz. Darüber war das Wappen des Kirchenherrn, des Fürstbischofs von Speyer Franz Christoph von Hutten angebracht.
Ganz oben befand sich ein geschnitzter Gnadenstuhl mit der Darstellung der hl. Dreifaltigkeit. Hinter dem Hochaltar war der Eingang zur Sakristei. An den abgerundeten Ecken der Westseite des Langhauses standen die zwei barocken Seitenaltäre, die aus der 1808 abgebrochenen Kirche des Franziskanerklosters in Heidelberg stammten. Der linke Seitenaltar, auf dem eine Barockstatue der Maria Immaculata stand, war der Altar des Frühmessbenefiziums. Der rechte Seitenaltar war dem hl. Antonius von Padua geweiht.
Auf der linken Seite des Langhauses befand sich die 1749 vom Schreinermeister Barthel Langer in Waibstadt geschaffene barocke Kanzel. Sie kostete 100 Rheinische Gulden.
Der im Langhaus stehende aus rötlichem Sandstein kunstvoll gemeißelte achteckige Taufstein mit einem Deckel mit der Darstellung der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer war von dem Künstler Franz Xaver Götz aus Bruchsal geschaffen worden. An den Wänden des Langhauses hingen die 14 Tafeln des Kreuzweges mit geschnitzten Rahmen aus Eichenholz. Die Empore, die 1856 um 2,5 m verlängert worden war, um mehr Platz zu gewinnen, wurde von vier Säulen getragen. Auf ihr stand die von dem Orgelbauer Liborius Müller aus Heidelberg 1735 geschaffene Orgel mit fünf Registern, die von der spätromanischen Kirche in die Barockkirche übernommen worden war. Zu den drei aus der Vorgängerkirche übernommenen Bronzeglocken kam 1783 eine vom Schulheiß Jacob Weisskapp und seiner Ehefrau Catharina geb. Gros gestiftete vierte Glocke hinzu, die von dem Heidelberger Glockengießer A. F. Speck gegossen worden war.

Zehn Jahre nach der Fertigstellung der Barockkirche wurde am Osteingang des Kirchhofs ein heute noch vorhandenes Barocktor mit einem Seiteneingang errichtet, auf dessen Sturz die Jahreszahl 1757 eingemeißelt ist. Im Kirchhof wurde 1775 an der Nordseite des Chors eine vom Wirt des Gasthauses „Zum goldenen Löwen“ Johannes Wachter und seiner Ehefrau Maria Eva geb. Fellhauer gestiftete barocke Kreuzigungsgruppe errichtet, die jetzt hinter der heutigen Kirche auf einem Platz an der Wilhelm-Weihrauch-Straße steht. Ein Kopie davon wurde im Gewann „Burggraben“ aufgestellt. Der rings um die Barockkirche liegende Kirchhof mit den Gräbern der Verstorbenen war schon lange für die ständig wachsende Bevölkerung zu klein geworden. Bereits 1743 war ein neuer Friedhof außerhalb des Dorfs vorgesehen. Doch erst 1808 wurde nach dem vom damaligen Schultheiß Johann Michael Fischer 1807 gefertigten Plan ein neuer Friedhof außerhalb des Orts am Viehweg (heute die Malschenberger Straße) angelegt, der inzwischen mehrmals erweitert wurde. Friedhöfe in Feldlage wurden damals „Gottesacker“ genannt. 1837 ließ die Gemeinde baufällige Teile der Kirchhofsmauer renovieren.


Abbruch
130 Jahre nach ihrer Erbauung war die Barockkirche, die Platz für höchstens 400 Kirchenbesucher bot, für die auf ca. 1300 Einwohner angewachsene Bevölkerung zu klein geworden. Von 1877 bis 1907 dauerten die Bemühungen des katholischen Stiftungsrats um einen geeigneten Bauplatz und die Finanzierung einer neuen größeren Kirche, bis endlich auf dem so genannten Hirschgarten und einem angrenzenden Grundstück die neue Kirche nach den Plänen des Leiters des Erzbischöflichen Bauamts Karlruhe Bauinspektor Johannes Schroth im neugotischen Stil in den Jahren 1907-1910 erbaut werden konnte. Aus der Barockkirche wurden der Hochaltar, die Seitenaltäre, die Statue der Maria Immaculata, der Taufstein, die Bildtafeln des Kreuzweges, das Epitaph des 1580 verstorbenen Melchior von Dalheim d. J. und die vier Bronzeglocken in die neugotische Kirche übernommen. Nach der Fertigstellung des Baus der neuen Kirche im Jahre 1909 besaß Rauenberg für ein paar Monate zwei Kirchen. Von dieser Situation gibt es zwei verschiedene Gemälde auf Ansichtskarten von Rauenberg. Die Barockkirche mit ihrem über 700 Jahre alten Turm, der Bauperioden aus der Spätromanik, der Gotik und des Barock aufwies, wurde 1910 abgebrochen, um Platz für den Bau eines Schwesternhauses zu gewinnen. Am 30. Dezember 1909 hatten der Maurermeister Josef Knörr und sein Schwager Maurermeister Wendelin Oehlschläger für 1000 Mark das Abbruchrecht an der Barockkirche erworben. In einer öffentlichen Versteigerung wurden das Kirchengestühl, der hölzerne Fußboden, die zwei Beichtstühle, Schränke und anderes hölzernes Inventar an die Bevölkerung verkauft. Der Zimmermeister Lorenz Knörr erwarb die schon wurmstichigen Holzpfeifen der Orgel um 20 Mark. Der Blechnermeister Friedrich Stier kaufte die Zinnpfeifen der Orgel, die insgesamt 71 Kilogramm wogen, für 127,80 Mark.
Die gehauenen Sandsteine, die im Eingangsbereich und für die Fenstereinfassungen des 1910 erbauten Gasthauses „Zur Linde“ verwendet wurden, stammen aus dem Abbruchmaterial der Barockkirche. Ebenso stammen die Dachbalken der Scheune des Anwesens Hillenbrand in der Weinstraße vom Dach der Barockkirche.
Dr. Dieter Wagner

Die Barockkirche Die Barockkirche