10.05.16: Das katholische Pfarrzentrum - 2. Die spätromanische Kirche (um 1200 - 1745)
Die Kirchen, die in der Zeit nach 976 auf dem Platz, auf dem heute das katholische Pfarrzentrum steht, erbaut wurden, waren so genannte Holzpfostenkirchen. Sie bestanden aus einem rechteckigen Saal von ca. 8 mal 6 Metern, dem Kirchenschiff, und einem eingezogenen Altarraum von quadratischer Form, dem Chorraum. Sie waren aus einem Holzgerüst mit Wänden aus Lehm und einem Dach aus Stroh erbaut und von einer mit einem Zaun abgegrenzten Begräbnisstätte umgeben. Die Holzpfostenkirchen wurden abgelöst von Kirchen, die als Fachwerkbauten errichtet wurden. Diese wiederum wurden von steinernen Kirchenbauten ersetzt. Diese dörflichen Kleinkirchen sind allgemein noch bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts ohne Turm errichtet woerden. Die erste historisch fassbare aus Stein gebaute Kirche in „Wilre“ wurde in spätromanischer Zeit etwa um 1200 errichtet. Sie stand in der unmittelbaren Nachbarschaft zum befestigten Wohnsitz der Ortsherrschaft und war ringsum von einem Kirchhof umgeben, der durch eine ovalförmige hohe Mauer von den umliegendenHäusern abgetrennt war. Diese spätromanische Kirche wurde 1346 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im 16. Jahrhundert wurde der Turm der Kirche, der bis dahin vor allem zu Verteidigungszwecken gedient hatte, um eine Glockenstube aufgestockt und mit einer Glocke versehen. In der Zeit der Spätgotik wurde im Chorraum der ursprünglich runde romanische Triumphbogen zu einem gotischen Spitzbogen verändert und die tonnenförmige Decke des Chors in ein Kreuzrippengewölbe umgewandelt. Als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Kirche für die über 200 Einwohner von Rauenbwerg zu klein geworden war, wurde 1683 in einer Kirchenrenovation das Langhaus um 3,65 m verlängert, eine hölzerne Empore eingebaut, das Dach neu gedeckt und die Wände weiß gestrichen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war das Dach des Kirchturms baufällig geworden. Nach einer angeordneten fachmännischen Untersuchung des Zustands des Turmdachs und nach der Feststellung der erforderlichen Reparaturmaterialien und des Arbeitslohns ließ Kardinal Damian Hugo von Schönborn schließlich das Dach des Kirchturms reparieren, wozu er als Patronatsherr der Kirche verpflichtet war. Nach der seit dem Mittelalter für Rauenberg geltenden Festlegung war der Patronatsherr der Kirche verpflichtet, den Chorraum, den Turm und den Helm zu bauen und zu unterhalten. Die Kirchenheiligen St. Peter und Paul, d. h. der Heiligenfonds, hatten für die Errichtung und Unterhaltung des Langhauses zu sorgen.
Der spätromanische Kirchenbau war eine so genannte Chorturmkirche, bei der sich der Turm über dem quadratischen Chorraum im Osten befand, an den sich im Westen das rechteckige Kirchenschiff anschloss. Eine Seite des quadratischen Turms maß 7,75 m. Das mit Schallfenstern versehene Glockengeschoss des Turms war als Riegelbauwerk ausgeführt und zum Schutz gegen den Regen mit Brettern zugeschlagen. Die Gesamthöhe des Kirchturms betrug etwa 28 m. Der Chorraum besaß an drei Seiten kleine rundbogige Fenster. An der Südseite des Turms war eine Sakristei angebaut. Das Langhaus hatte eine Breite von etwa 8 m und eine Länge von etwa 12 m. Das Kirchenschiff besaß an den Längsseiten jeweils drei große rundbogige Fenster. An der Giebelseite des Langhauses befand sich über dem rundbogigen Eingangsportal ein rundes Fenster. Um die Kirche lag der Kirchhof mit den Gräbern der Verstorbenen. Die ovalförmige Mauer, die den Kirchhof umgab, hatte die Gemeinde zu bauen und zu unterhalten. An der Nordseite des Kirchhofs war an der Mauer ein Beinhaus errichtet worden. Am Kirchturm befand sich ein überdachter Ölberg. In der Nähe des Kirchenportals stand ein Holzkreuz, das von Schultheiß Michael Fischer (1733-1745) gestiftet worden war.
Im Chorraum stand der den Kirchenpatronen St. Peter und Paul geweihte Hochaltar, die erst 1513 zum ersten Mal erwähnt wurden. Das Kreuzrippengewölbe und die Wände waren vermutlich mit den vier Evangelisten und den üblichen biblischen Szenen, Aposteln und Heiligen ausgemalt. An einer Wand des Chorraums war eine Sakramentsnische eingelassen, die mit einem gotischen schmiedeeisernen Gittertürchen verschlossen werden konnte. Die Kirche diente im 16. Jahrhundert auch als Grablege des Ortsadels. Das Epitaph des 1580 verstorbenen Ortsherrn Melchior von Dalheim d. J. war an einer Wand im Chorraum aufgestellt. Die Grabplatte seiner 1586 verstorbenen Ehefrau Maria Salome von Stiebar war im Boden eingelassen. Das Epitaph des Melchior von Dalheim d. J. ist noch erhalten. Es befindet sich in der Taufkapelle der heutigen Kirche neben dem Aufgang zur Empore.
Ursprünglich trennte ein eisernes Gitter den Chorraum vom Langhaus, das ein flache Holzdecke besaß. 1683 war das Gitter entfernt worden und als Verschluss am Beinhaus im Kirchhof angebracht worden. Zum Hochaltar im Chorraum, der für die Gottesdienste des Pfarrers, eines „plebanus“ (Leutpriester), vorbehalten war, kam auf der linken Seite des Langhauses der Marienaltar des Frühmessbenfiziums, das 1464 zum erstenmal urkundlich erwähnt wurde. Auf der rechten Seite des Langhauses befanden sich eine steinerne Kanzel und ein Taufstein mit einem verschließbaren Deckel. Auf der Empore stand seit 1735 eine Orgel, die fünf Register besaß. Sie war von dem Heidelberger Orgelbauer Liborius Müller gebaut und aufgestellt worden. Im Glockengeschoss, in dem seit dem 16. Jahrhundert nur eine Glocke hing, kam um 1640 eine weitere Glocke hinzu, die der Kommandant der Festung Philippsburg, Obrist Kaspar Bamberger, der während des Dreißigjährigen Kriegs eine Zeit lang Ortsherr von Rauenberg war, gestiftet hatte. Nach über 90 Jahren wurde das Geläut durch eine dritte Glocke mit einem Gewicht von 400 kg erweitert. Sie war vom Amtskeller des speyerischen Amts Rotenberg Peter Rochus Weissenberg gestiftet worden. Die Kirche besaß auch eine Turmuhr, die 1683 zum ersten Mal erwähnt wurde. Sie schlug vermutlich nur die vollen Stunden und hatte noch kein Zifferblatt. Das Kirchengestühl, die Glocken, die Glockenseile und die Turmuhr hatte die Gemeinde anzuschaffen und zu unterhalten.
Als in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die über 500 Jahre alte Kirche für die auf etwa 430 Einwohner angewachsene Bevölkerung von Rauenberg zu klein geworden war, bemühte sich die Gemeinde bei ihrem Orts-, Zehnt- und Patronatsherrn, dem Fürstbischof von Speyer Kardinal Damian Hugo von Schönborn (1719-1743), um eine Erweiterung der Kirche.
(Fortsetzung folgt)
Dr. Dieter Wagner