22.04.16: Das katholische Pfarrzentrum - 1. Ein geschichtsträchtiger Platz
Der Platz, auf dem sich das katholische Pfarrzentrum befindet, ist ein geschichtsträchtiger Platz. Hier standen jahrhundertelang die Rauenberger Pfarrkirchen in der Nachbarschaft des Wohnsitzes der jeweiligen Ortsherrschaft. Will man erfahren, seit wann auf diesem Platz Kirchen erbaut wurden, muss man die Entstehungsgeschichte von Rauenberg betrachten.
Der heutige Ort Rauenberg war ursprünglich eine im 8./9. Jahrhundert entstandene kleine Siedlung, ein Weiler, auf der Urgemarkung von Mühlhausen, welche die späteren Gemarkungen von Mühlhausen, Rotenberg und Rauenberg umfasste. Im 10. Jahrhundert waren Mühlhausen, Malsch und 21 weitere Orte im Besitz der zwischen 730 und 740 auf Reichsboden gegründete Benediktinerabtei Mosbach. Am 15. November 976 gab Kaiser Otto II. die Benediktinerabtei Mosbach mit ihrem gesamten Besitz dem Bischof Anno von Worms auf ewige Zeiten zu eigen. Mit der Muttergemeinde Mühlhausen kam auch der auf ihrer Gemarkung liegende Weiler in den Besitz des Bischofs von Worms. In der Zeit nach 976 wurde der Weiler vom Hochstift Worms zu einem eigenständigen Ort erhoben und mit einer eigenen Gemarkung versehen. In „Wilre“, so lautete nun der mittelhochdeutsche Name des Orts, ließ das Hochstift Worms eine Kirche und einen Herrensitz errichten und gab der Kirche das Patrozinium „Peter und Paul“ des Peter- und Paulsdoms von Worms. Als Grundherren von „Wilre“ belehnten die Bischöfe von Worms in den folgenden Jahrhunderten Adelige aus ihrer Gefolgschaft mit der Ortsherrschaft und den Zehnt- und Patronatsrechten der Kirche. Im 12./13. Jahrhundert ließen die Bischöfe von Worms ihre adeligen Gefolgsleute in der Gemarkung von Mühlhausen und „Wilre“ Burgen bauen und richteten zu deren Versorgung Burgweiler mit eigenen Gemarkungen ein. So entstanden auf der Gemarkung von Mühlhausen die Burg und der Burgweiler „Rodenburg“ und auf der Gemarkung von „Wilre“ die Burg und der Burgweiler „Ruhenberg“, dessen Gemarkung östlich des Angelbachs lag. Der Ort „Rodenburg“ wurde 1255, der Ort „Ruhenberg“ wurde 1303 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Westlich von „Wilre“, dessen Gemarkung sich nun westlich des Angelbachs bis zu dem heutigen Weg „Höfe am Sträßel“ erstreckte, lag die Gemarkung eines Ortes, dessen Name, Lage und Entstehungszeit noch nicht bekannt sind. Dieser Ort war früh aufgegeben worden. Seine Bewohner waren nach „Wilre“ und „Malschen“ (Malsch) abgewandert, das bis 1302 ebenfalls im Besitz des Hochstifts Worm war. Der größere Teil dieser Gemarkung, die einst aus der Urgemarkung von Malsch abgetrennt worden war, wurde nach der Aufgabe des Ortes in die Gemarkung von „Wilre“ eingegliedert, der kleinere Teil in die Gemarkung von „Malschen“. Das gesamte Ausmaß der Gemarkung dieses abgegangenen Ortes entspricht dem Gebiet des so genannten „Weißenburger Zehnten“, das sich im Norden zu einem kleinen Teil auf die Wieslocher Gemarkung erstreckte, im Osten sich bis zu dem Weg „Höfe am Sträßel“ ausdehnte, im Süden zu einem größeren Teil in die heutige Gemarkung von Malschenberg hineinreichte und im Westen an die Gemarkung von Rot angrenzte. Am Ende des 13. Jahrhunderts oder zu Beginn des 14. Jahrhunderts kam „Wilre“ aus bisher noch nicht geklärten Gründen in den Besitz der Niederadelsfamilie „Wider“, die „Wilre“ in „Widerswilre“ umbenannte. „Widerswilre“ wurde 1317 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Etwa um 1400 gaben die Bewohner von „Ruhenberg“, dessen Burg früh abgegangen war, aus noch ungeklärten Gründen ihre Wohnsitze auf und siedelten sich im benachbarten „Widerswilre“ an. Nach dieser Einbürgerung der Bewohner des Nachbarorts und nach der Zusammenlegung der Gemarkung von „Widerswilre“ und der Gemarkung von „Ruhenberg“, die dem Gebiet des so genannten „Haßelbacher Zehnten“ entspricht, legte „Widerswilre“ seinen Namen ab und nannte sich von nun an „Ruhenberg“. Die heutige Form „Rauenberg“ ist 1477 zum ersten Mal urkundlich belegt. Während Rotenberg kirchlich von Anfang an zum Bistum Worms gehörte, gehörte Rauenberg kirchlich zum Bistum Speyer. (Fortsetzung folgt)
Dr. Dieter Wagner