Reihe „Schätze der Rauenberger Kirchengemeinde - Erbe unserer Ahnen“

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26.07.11: St. Annakapelle an der Malschenberger Straße
Die Geschichte erzählt Ihnen Dr. Dieter Wagner

Wer Rauenberg in westlicher Richtung auf der Kreisstraße nach Malschenberg verlässt, erblickt kurz nach dem Kreisel auf der linken Seite oberhalb einer hohen roten Sandsteinmauer zwischen zwei mächtigen Kastanienbäumen eine kleine Kapelle, die im Volksmund „Annakapelle“ genannt wird.

Annakapelle

Auf diesem Platz stand zuvor ein Bildstock, worauf der dortige Flurname „Steinsatzbild“ hinweist, der auf die ursprüngliche mittelhochdeutsche Form „steinshartsbilde“ zurückgeht, was „Flurstück beim Bildstock im steinigen Wald“ bedeutet. Bildstöcke, die aus einer Säule bestanden und ein Heiligen- oder Widmungsbild trugen, waren besonders seit dem 14. Jahrhundert üblich und wurden meistens an einer eindrucksvollen und aussichtsreichen Stelle errichtet. Der Bildstock wurde in der Barockzeit durch eine der hl. Anna geweihten Kapelle ersetzt, die vor 1719 erbaut wurde, wie aus dem Bericht der Visitation von 1719/1720 hervorgeht. In einem 1743 angefertigten Verzeichnis der Rauenberger Kapellen und Kreuze wird Jakob Spannagel, der von 1679 bis 1744 lebte, als Stifter der St.-Anna-Kapelle genannt. Er war Küfermeister und Mitglied des Ortsgerichts, das damals aus dem Schultheiß, dem Anwalt und sechs Gerichtspersonen bestand, und hat die Kapelle vermutlich wegen eines Gelübdes oder zu seinem Seelenheil gestiftet.

Die seit dem Ausgang der Antike nachweisbare Verehrung der hl. Anna, der Mutter Mariens, erreichte in Deutschland am Ausgang des Mittelalters ihren Höhepunkt. Die hl. Anna ist Patronin u. a. der Bergleute, der Schiffer und anderer Berufsstände, der Mütter, der Ehe, der Witwen und Armen. Sie wird angerufen von Gebärenden und um Kindersegen. Ihr Gedenktag ist am 26. Juli. Die St.-Anna-Kapelle diente seit ihrer Erbauung bis zur jüngsten Zeit als Station bei den jährlichen Flurprozessionen und bei Wallfahrten. Als Schauplatz der Sage von der wundersamen Rettung des Rauenbergers Hirschwirts Joseph Schneider wurde die Kapelle auch über Rauenberg hinaus bekannt. Sowohl in Rauenberg als auch in Rot, woher seine Ehefrau Franziska geb. Bräutigam stammte, wird folgende Begebenheit erzählt: Der Wirt des Gasthauses „Zum goldenen Hirsch“ Joseph Schneider, der von 1786 bis 1852 lebte, war zur Zeit der badischen Revolution von 1848/1849 Anführer der Rauenberger Freischärler. Nach der Niederschlagung der Revolution durch die Truppen des Großherzogs Leopold von Baden und durch preußische Truppen wurde er an die heranrückenden Preußen verraten. Er musste aus seinem Haus und aus dem Dorf vor den preußischen Soldaten fliehen und versteckte sich in seiner Not auf dem Dachboden der St.-Anna-Kapelle. Er hatte Glück. Kurz bevor die Verfolger kamen, hatte eine Spinne ihr Netz über die Einschlupföffnung gewoben.

Als die Soldaten auf dem Dachboden nach dem Verfolgten suchen wollten, sagte einer: „Da kann er nicht drin sein, sonst hätte er ja das Spinnennetz zerrissen.“ Damit war der Hirschwirt Joseph Schneider gerettet. Am nächsten Tag wurde er von einem früheren Knecht in einem Fass über die Rheinbrücke ins rettende Ausland geschmuggelt. Aus Dankbarkeit für seine Rettung stiftete Joseph Schneider ein Bild, das die Spinne mit ihrem Gewebe zeigte und noch lange Zeit in der St.-Anna-Kapelle zu sehen war.

Als die Kapelle nach über 200 Jahren seit ihrer Erbauung baufällig geworden war, wurde sie 1926 abgebrochen und durch einen Neubau an derselben Stelle und in der alten Form ersetzt. Bauherr war die Gemeinde Rauenberg unter dem Bürgermeister Ferdinand Stier (1906-1928), welche die Kapelle nach den Plänen und unter der Bauleitung des Wieslocher Architekten Fischer wieder aufbauen ließ. Da der Neubau nach den Bestimmungen der Landesbauordnung vom Rand des Straßengrabens einen Abstand von 2 m einhalten musste, wurde die Kapelle in südlicher Richtung 1 m nach hinten versetzt. Zu beiden Seiten der Kapelle wurde je ein Kastanienbaum gepflanzt, die inzwischen zu einer imposanten Größe herangewachsen sind.

1964 wurde die Kreisstraße nach Rot, die seit Jahrhunderten „Viehweg“ genannt wurde, ausgebaut und im Bereich der St.-Anna-Kapelle, um die Steigung zu vermindern, einige Meter tiefer gelegt, so dass zu beiden Seiten der Straße eine hohe Böschung entstand. Die Kapelle und die beiden Kastanienbäume wurden durch eine 21,60 m lange und 3,25 m hohe Sandsteinmauer vor dem Abrutschen gesichert und durch eine 3 m breite Treppe zugänglich gemacht. Inzwischen wurde die St.-Anna-Kapelle außen und innen mehrmals renoviert. Dabei wurden die beiden kreisrunden Fensteröffnungen zu beiden Seiten der Kapelle zugemauert. 2001 wurde eine Dachrinne angebracht und zur Trocknung der feuchten Wände eine Drainage rings um die Kapelle gelegt. Die Kosten dieser Sanierungsmaßnahmen hat die Bastelgruppe der katholischen Frauengemeinschaft übernommen.

Die Kapelle besteht aus einem 2,95 m langen, 2,70 m breiten und 2,50 m hohen Kapellenraum und aus einem 1,55 m tiefen und 2,70 m breiten nach drei Seiten offenen Vorraum. Das mit Biberschwanzziegeln doppelt gedeckte 2,18 m hohe und 4,40 m lange Satteldach, das im unteren Teil geknickt ist, ruht auf dem Kapellenraum und auf zwei Holzpfosten des Vorraums. Der Giebel auf der Rückseite ist gemauert, der Giebel auf der Vorderseite ist mit braungefärbten Holzschindeln verkleidet. Die 1,90 m hohe und 0,90 m breite bogenförmige schmiedeeiserne Türe des Kapellenraumes ist mit einem kunstvoll gearbeiteten Gitter versehen und mit Glas hinterlegt. Der Kapellenraum besitzt im Innern ein kreuzrippenförmiges blaugefärbtes Deckengewölbe. Die Wände sind in gelbem Farbton gehalten, der Boden ist mit rotbraunen Platten gefliest.

Im Inneren der Kapelle hängt an der Rückwand ein Ölgemälde, das die hl. Anna mit ihrer kleinen Tochter Maria vor einem landschaftlichen Hintergrund darstellt. Die vor einer Gebäudeecke stehende hl. Anna trägt ein bis an ihre Füße reichendes dunkelrotes Gewand mit einem Gürtel, ein bis an ihren Hals reichendes weißes Schultertuch und auf dem Kopf einen über ihre Schulter fallenden langen blauen Schleier. In der linken Hand hält sie ein Buch, mit der rechten Hand umfasst sie die Schulter der bis an ihre Hüfte reichenden kleinen Tochter Maria, die sich an ihre Mutter anschmiegt. Mit nach links geneigtem Haupt blickt die Mutter liebevoll hinab zu ihrer Tochter Maria. Die auf den Bildbetrachter blickende kleine Maria hat dunkles schulterlanges Haar und trägt ein knöchellanges blaues Gewand mit kurzen Ärmeln. Mit der rechten Hand umfasst sie den Arm ihrer Mutter, in der linken Hand hält sie einen kleinen Blumenstrauß. Das Ölgemälde ist eine vor einigen Jahren vom Rauenberger Kunstmaler Horst Staar angefertigte Kopie des wohl in den 1920er Jahren von einem nicht bekannten Künstler gemalten Originals. Dieses Original, das nach über 80 Jahren in der Kapelle von Zahn der Zeit Schaden gelitten hatte und unansehnlich geworden war, wurde von Horst Staar restauriert. Es befindet sich seit 1910 im Eingangsbereich des Winzermuseums, wo neben anderen religiösen Gegenständen auch der alte Betstuhl aus der St.-Anna-Kapelle gezeigt wird.
Dr. Dieter Wagner

Annakapelle Annakapelle

Ihr Herz für die Annakapelle...

Das Ehepaar Renate und Josef Fellhauer haben inzwischen die Patenschaft für die Annakapelle übernommen. Davor hatten Margarete und Karl Herrmann und Frau Emma Augst sich um die Kapelle gekümmert.

Es ist ihnen ein Anliegen für die Kirche vor Ort etwas zu tun. Die Annakapelle hat eine lange und interessante Geschichte und es ist eine Herzensangelegenheit des Ehepaares, dieses Gebäude für unsere Kinder und Enkel zu erhalten.

Die Mitarbeiter des Bauhofes mähen die Wiesen rund um die Kapelle, sodass auch das Gelände um die Kapelle immer in einem sauberen Zustand ist. Bei dem Ausbau der Kreisstraße wurde das kleine Grundstück, auf dem die Kapelle steht, vom Rhein-Neckar-Kreis übernommen. Bürgermeister Broghammer setzt sich für Rückübereignung des Geländes ein. Für die Zukunft wünscht sich das Ehepaar Hermann, dass die Kapelle auch weiterhin gepflegt und umsorgt wird. Es wäre sehr schön, wenn ab und zu eine Andacht dort stattfinden könnte. Die größte Freude wäre ein „Spurensuchen-Gottesdienst“ bei der Annakapelle.

Ein herzliches „Vergelt's Gott“ dem Ehepaar Herrmann für die übernommene Patenschaft.

Ein Besuch der Annakapelle lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Man kann dort in Ruhe verweilen und den wunderbaren Panoramablick über die Weinberge bis hin zu den Pfälzer Bergen genießen. In der Herbstzeit finden die Kinder dort viele schöne Kastanien.

An dieser Stelle möchten wir allen, die auf den Namen Anna getauft sind, zu Ihrem Namenstag herzlich gratulieren.

Mehr Infos:

Wenn Sie mehr über unsere Kirchengemeinde erfahren möchten, können wir Ihnen die Kirchenchronik „Lebendige Steine Kirche“, erstellt zum 100jährigen Jubiläum von St. Peter und Paul Rauenberg, empfehlen. Sie bekommen das interessante und mit vielen Bildern ausgestatte Buch im Pfarrhaus (zu den üblichen Öffnungszeiten) – oder ganz einfach: Sie bestellen es formlos über den Kontakt-Link auf unserer Internetseite www.kath-kirche-rauenberg.de Sie bekommen das Buch von uns persönlich überreicht.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Ferienbeginn! Genießen Sie die Ferientage, sammeln Sie viele neue Eindrücke und kommen Sie wieder wohlbehalten zurück.
Ihr Förderverein Kirche St. Peter und Paul Rauenberg