Galerie zum Jubiläum 10 Jahre Göckel-Orgel in St. Peter & Paul Rauenberg

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Sonntag, 6. September 2015

Zum Geburtstag: Klarinette und Orgel

„Komm, Trost der Welt, du stille Nacht“, schrieb Joseph von Eichendorff in seinem Gedicht „Der Einsiedler“. Dieses Stimmungsbild umfing die Besucher während des Konzerts am Sonntag, den 6. September um 21.30 Uhr im „Dom des Angelbachtals“. Die neue Große Orgel von St. Peter und Paul feierte ihren zehnten Geburtstag ; Prof. Franz Wassermann an der Orgel und Jochen Bauer, Klarinette, hatten das musikalische Geburtstagsmenu angerichtet und bereiteten den zahlreichen Zuhörern eine große Freude. Am Nachmittag wurde für die „Orgelpaten“ und für Kinder, die wie die Orgel zehn Jahre alt sind, die Erzählung „Josef und seine Brüder“ präsentiert,, wobei Roswitha Schöttler die verbindenden Texte las und Prof. Wassermann die Melodien der handelnden Personen vorstellte, die durch das ganze musikalische Geschehen immer wieder im Originalform und in Variationen zu hören waren. Begeistert lauschten große wie kleine Zuhörer der farbigen Gestalt dieser spannenden Geschichte.

Am Abend des Geburtstags dann stellte zunächst Orgelbaumeister Karl Göckel das von ihm erbaute Instrument vor; interessant und aufschlussreich wusste er das Innenleben der „Königin der Instrumente“ zu erklären, und das Publikum hatte nur zu staunen über die komplexe Vielgestalt des Orgelinnern, wohin es einen Blick werfen dufte.

Zum Geburtstag hatte der Förderverein der Rauenberger Kirche der Orgel eine Beleuchtungsanlage geschenkt, die das prächtige Instrument in vielerlei Farben aufleuchten ließ. Im dezent beleuchteten Gotteshaus, wodurch sich das wechselnde Farbspiel der Orgelpfeifen umso mehr hervorhob, erklang zur Eröffnung des Konzertabends der Orgelchoral „Vor deinen Thron tret` ich hiermit“, den J.S. Bach schrieb, als er wusste, wie bald er selbst vor Gottes Thron stehen würde. Wie ein Gebet durchzieht die Melodie in friedlicher Ruhe den Tonsatz, unterbrochen von hellen Tönen der Zuversicht und Freude, bis in den letzten Takten die Todesschatten wieder hereinzufallen scheinen.

Danach zeigte Jochen Bauer den Konzertbesuchern mit seinem Spiel, welche Ausdrucksmöglichkeiten die Klarinette hat: der zweite Satz des Klarinettenkonzerts f-moll von C. M. von Weber schwebte im Raum, groß und gleichermaßen echt in der Darstellung des Zarten, Innigen, des schwermütig Verträumten, des Schwärmerischen und des Leidenschaftlichen. Der Beginn dieses Adagio gleicht einer romantischen Opernarie; das Gebet der Agathe aus des Komponisten „Freischütz“ erschien in den Melodien, die ausschwangen wie das Amen eines Gebets.

Das populärste der vielen Orgelwerke Pachelbels ist der „Canon in d-moll“, ausdrucksstark interpretiert von Franz Wassermann, der den Zuhörern das breite Spektrum der Registerklänge darbot: vom bedächtigen Schreiten am Beginn eines Weges, der im Weitergehen lebhafter seinem Ziel zustrebt, das er schon vor Augen hat, bis hin zur ausgelassenen Freude bei der Ankunft am Ziel.

Wolfgang Amadeus Mozart schrieb sein Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 vermutlich für Anton Stadler, einen in jener Zeit hoch angesehenen Musiker in Wien. Ein Kritiker schrieb damals: „Hätt‘s nicht gedacht, dass eine Klarinette die menschliche Stimme so täuschend nachahmen könnte.“ Im „Adagio“ aus diesem Konzert spielten sich Orgel und Klarinette auf liebevolle Weise das Thema zu. Jochen Bauer zeigte wiederum, wie wundervoll er sein Instrument beherrscht: vom samtig tragenden Ton bis in jubilierende Höhen steigend, gleich ob im Pianissimo oder im Forte. Sowohl im Orgelpart von Franz Wassermann als auch im Spiel des Klarinettisten erlebten die Zuhörer eine Musik,, die vom Himmel zu kommen schien.

Eine andere Stimmung übertrug sich auf die Konzertbesucher im „Adagio“ und im „Allegro“ aus Mozarts Werk KV 594, das er in seinem letzten Lebensjahr als Auftragswerk für eine mechanische Orgel schrieb. Von der Mühe, die ihm die Arbeit machte, ist in dem Werk dennoch nichts zu spüren. Befreit von der Starre des Automatenklangs und der Enge eines kleinen Pfeifenwerks in einer Uhr, wird von der großen Orgel der Reichtum dieser Komposition aufgeschlossen, der düstere , harmonisch dichte Klang des Adagio ebenso wie das Leuchten des Allegro. Die Seufzerfiguren der Melodie im Adagio dieser Trauermusik erinnern daran, wie das Leben unaufhaltsam verrinnt. Prof. Wassermann verstand es ausgezeichnet, die Gegensätzlichkeit der Stimmung in diesem Werk auszuloten, die tiefe Melancholie wie die düstere Pracht in der Virtuosität des raschen Allegro-Teils.

In „Flowers of St. Francis” des zeitgenössischen Komponisten Daniel Dorff dagegen fühlte man sich wie auf einer bunten Wiese, auf der Blumenknospen nacheinander aufspringen, sich entfalten, um die Schmetterlinge und Bienen schwirren und wo sich aber Grashüpfer dazwischen tummeln.

Wie sich Stimmungen in Musik umsetzen lassen, zeigte sich auch im zweiten Stück von Dorff, “St. Francis preaching to the birds„. Das Gezwitscher der Vögel, die Kuckucksrufe, das Tirilieren der Lerchen konnten die Zuhörer miterleben. In die in Musik gesetzte Predigt des heiligen Franziskus mischten sich immer wieder seine Ansprechpartner, die Vögel, mit ihrem je eigenen Gesang ein. Auf einem selten solistisch zu hörenden Instrument, der Bassklarinette, wusste Jochen Bauer einen verblüffenden Reichtum an klanglichen Farben und an Stimmungen herauszuarbeiten.

Die instrumentale Grundlage für expressive und meditative Musik bot die Orgel mit ihren vielfältigen Farbschattierungen und ihrer an der Romantik orientierten Disposition. Eine solches Stück ist “Reverie„ des hierzulande kaum bekannten Engländers W.H. Faulkes. Das gedämpfte blaue Licht, in das die Orgelpfeifen nun gehüllt waren, führte mit der Musik in die Träume, denen sich jeder Zuhörende hingeben konnte; der tiefe Orgelpart war der Ort, auf dem man wohlig ruhte und seinen Gedanken freien Lauf ließ: hier freudig, dort verhalten, um am Ende wieder auf die Erde zurückzukommen.

“Summertime„ von George Gershwin gehört zu den bevorzugten Stücken vieler Jazzer, die mit dem Stil des “King of Swing„, Benny Goodman, verwandt sind. Gershwin schrieb 1931: “Ich bin ein moderner Romantiker. Musik muss das Denken und Fühlen, den Atem der Zeit in sich tragen„ Seine Musik erfüllt auch heute noch, fast 80 Jahre nach seinem Tod, in unverminderter Schönheit, Süße und Heiterkeit der Sinne den atmosphärischen und irdischen Raum. Passend zu dieser Stimmung war ein Teil des Textes aus einer Indianischen Weisheit, die Prof. Wassermann, wie auch die anderen Texte, rezitierte; allesamt waren sie wunderbar auf die Kompositionen abgestimmt: “Eine Wolke wird über den Himmel ziehen, und ich werde eine Wolke sein wollen. Ich werde mich selbst vergessen. Dann wird mein Herz leicht werden wie eine Wolke.„ So war “Summertime„ mit seinem großartigen Klarinettensound, zart eingehüllt in eine nie aufdringliche Orgelbegleitung, innig und vertrauend und doch wissend, dass das Ende naht.

Überwältigt von der einzigartig dichten Atmosphäre dieses sorgsam zusammengestellten Konzerts, vom Zusammenspiel von Licht und Klang und besonders vom einfühlsamen Spiel der beiden Musiker, verharrten die Zuhörer am Ende einige Zeit in Stille. Dann aber brach überwältigender Applaus los. So dankte das Publikum auf doppelte Weise den Künstlern.
geck

Fotos: Pfeifer

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