Letzenbergwallfahrt - Herbstwallfahrt

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Sonntag, 16. September 2012

„Unsere Welt braucht eine neue Ehrfurcht vor dem Heiligen“

Herbstwallfahrt auf den Letzenberg / Festpredigt von Pfarrer Joachim Viedt

Die Letzenbergwallfahrt im September findet immer in der zeitlichen Nähe zum Fest der Schmerzen Mariens statt. Dieser Tag ist auch das Patrozinium der Letzenbergkapelle. Am darauffolgenden Sonntag ist das „Herz des Dekanats Wiesloch“, die Wallfahrtskirche auf dem Letzenberg, Ziel vieler Pilger aus der Seelsorgeeinheit Mühlhausen, aber auch aus der ganzen Region. Für sie alle war in diesem Jahr bereits der Anmarsch auf den Berg bei herrlichem Herbstwetter ein Erlebnis. Soweit das Auge reichte, gab es Natur pur: Im Süden die Berge des Schwarzwalds, im Norden der Odenwald mit dem Königsstuhl, im Osten das Kraichgauer Hügelland und im Westen die Rheinebene, dahinter die Berge des Pfälzer Walds. Mit Gebeten und Liedern, begleitet von Kreuz und Fahnen, waren die Wallfahrer an der Pfarrkirche St. Juliana in Malsch aufgebrochen, zogen vorbei an den 14 Kreuzwegstationen, vorbei an den Weinbergen, in denen gerade der Weinjahrgang 2012 die letzten Sonnenstrahlen tankte, und betraten unter dem Läuten der Wallfahrtsglocke und den festlichen Klängen der Orgel den Platz vor der Kapelle.

Dort feierten Pfarrer Dr. Thomas Stolle, Pfarrer Joachim Viedt und Pater Marek aus Polen mit der großen Schar der Wallfahrer Eucharistie. Gesanglich wurde der Gottesdienst umrahmt durch den Kirchenchor St. Cäcilia Rettigheim unter der Leitung von Reiner Oberbeck, die Orgel spielte Bernhard Reiß. Am „großen Wallfahrtstag zum Heiligtum der Schmerzensmutter“ begrüßte Pfarrer Stolle die Gläubigen aus nah und fern, darunter auch eine Pilgergruppe aus Ungarn, die während des Gottesdienstes ein ungarisches Marienlied vortrug. Pfarrer Stolle wies auf das Mosaik über der Eingangstür zur Kapelle hin, auf dem das Herz der Gottesmutter von sieben Schwertern durchbohrt wird. Maria habe in verschiedenen Lebensabschnitten nicht die heile Welt erlebt, sondern gerade in der Nähe ihres Sohnes und um ihres Sohnes Willen schmerzhafte Erfahrungen gesammelt, Unvorstellbares durchlitten. So fühlten sich oft auch Menschen durch eine Anhäufung von unglücklichen Ereignissen schwer getroffen. Maria weise jeden, der Hilfe sucht, auf Jesus Christus hin, der selbst das Leid der Welt auf sich genommen und den Tod überwunden hat. Bei dieser gottesdienstlichen Feier habe jeder Wallfahrer die Möglichkeit, seine ganz persönliche Not mit in die Liturgie hineinzunehmen, und die Ängste und Sorgen hier abzulegen.

Mit Blick auf das frisch renovierte Kreuz auf dem Vorplatz der Kapelle sprach Pfarrer Joachim Viedt in seiner Festpredigt von der „großen Botschaft des Kreuzes“. Bereits bei der Darstellung des Kindes Jesus im Tempel durch Maria und Josef hätten die beiden durch die Worte des Greisen Simeon erfahren, dass sich die Geister an der Person Jesu scheiden. Zum einen werde er zum „Zeichen, das die Heiden erleuchtet“, zum andern zu einem „Zeichen, dem widersprochen wird“. Dies sei mit ein Grund, warum die Tradition Maria bildhaft mit sieben Schwertern darstellt, oder auch als Pieta mit dem toten Sohn in den Armen. Viele Generationen hätten ihren eigenen Schmerz damit identifiziert, hätten in dieser Darstellung gefühlt, dass ihr Kummer bei Jesus und Maria aufgehoben ist. Tief beeindruckt habe ihn die Darstellung einer Pieta, bei welcher der tote Jesus seine rechte Hand noch zum Segen krümmt. Alle diese Zeugnisse des Glaubens, ob Kapellen, Kreuze oder Bildstöcke erzählten nicht nur von der Volksfrömmigkeit früherer Generationen, sie könnten auch dazu beitragen, dass die heutigen Menschen tiefer in den Glauben hineinkommen.

Aber gerade heute werde das Kreuz immer mehr zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. Als Beispiel nannte der Festprediger ein „Kunstwerk“ bei einer Ausstellung im Kulturbahnhof von Kassel, wo das Kreuz verhöhnt und verspottet wird. Es stehe außer Frage, dass Kunst provozieren darf, denn auch jedes Kreuz sei eine Provokation, wenn der Gekreuzigte symbolisch dem Betrachter die Frage stellt: „Das tat ich für dich, was tust du für mich?“ Doch gerade heute, wo die Kulturen aufeinanderprallen, brauche es mehr Respekt vor religiösen Gefühlen. Das gelte für alle Religionen. Denn Gewalt, wie sie sich aktuell zeigt, sei keine gute Lösung. Deshalb die Forderung von Pfarrer Joachim Viedt: „Unsere Welt braucht eine neue Ehrfurcht vor dem Heiligen.“

Die Fürbitten in den verschiedensten Anliegen der Kirche und der Kirchengemeinden sprachen Vertreter aus den einzelnen Pfarrgemeinden. Am Schluss der Eucharistiefeier grüßten die Pilger die Gottesmutter mit einem Gebet und einem Lied. Am Schluss des Wallfahrtsgottesdienstes dankte Pfarrer Thomas Stolle sehr herzlich allen, die zu dieser Feier beigetragen hatten. „Möge dieser Tag und diese Feier für uns alle ein Tag des Segens für unser Leben werden“, so sein Wunsch.

Text: Rudi Kramer