Die Orgel: ein Gemeinschaft stiftendes Instrument

Morgen feiert Rauenberg die Weihe seiner neuen Orgel - Pfarrer Harald M. Maiba: „Symbol einer lebendigen Pfarrgemeinde“

Rauenberg. (oé) Der morgige Sonntag wird für die Weinstadt ein besonderer Tag werden. Zum ersten Mal erklingt dann die neue Orgel der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Einer, der diesem Augenblick mit besonderer Spannung entgegenfiebert, ist Karl Göckel. Der Rettigheimer Orgelbaumeister hat das königliche Instrument zusammen mit acht Mitarbeitern aus 20 000 Einzelteilen geschaffen. Obwohl es bereits die 60. Orgel ist, die seine 1983 gegründete Werkstatt verlässt, ist es für den 48-Jährigen „immer wieder ein spannender Moment“, ein eigenhändig gebautes Instrument zum ersten Mal zu hören. „Wenn der erste Ton erklingt, dann ist alles abgegolten und vergessen“, sagt der Orgelbauer. Alles, was er an Arbeit, Mühsal und Anstrengung in ein Instrument hineingesteckt hat. In die Rauenberger Orgel sind bislang über 5 000 Arbeitsstunden geflossen. Seit Anfang des Jahres arbeiten er und seine Mitarbeiter an dem Instrument. Im August hat der Zusammenbau der Orgel auf der Empore der Kirche begonnen. Zuletzt haben die Orgelbauer Tag und Nacht gearbeitet, damit alles fertig ist, wenn die Orgel am Sonntag Nachmittag von Bischof Dr. Paul Wehrle geweiht wird.

Vor allem der Klang muss stimmen. Daran hat der Orgelbaumeister bis zuletzt gefeilt. „Man muss im Kopf haben, wie die Orgel klingen soll, und das innere Vorstellungsbild dann nach außen tragen“, schildert Karl Göckel den komplexen Vorgang. Kein Wunder, dass er manche Pfeife bis zu 20 Mal in die Hand nimmt, „bis sie das sagt, was sie sagen soll“. 2293 Pfeifen insgesamt hat die neue Orgel: Die größte ist über fünf Meter lang und die kleinste misst nur einen Zentimeter. Mit ihren drei Manualen und 33 Registern ist die Orgel für barocke Musik ebenso geeignet wie für Bach. Aber auch die französische Symphonik oder die deutsche Romantik lässt sich auf dem neuen Instrument problemlos spielen, erläutert ihr Erbauer.

Orgel mit zeitgemäßem Gesicht

Einig waren sich Erbauer und Auftraggeber darin, dem über zehn Tonnen schweren Instrument kein „historisierendes“, sondern ein durchaus zeitgemäßes Gesicht zu geben. Und so hat das von dem Horrenberger Designer Markus Artur Fuchs entworfene Orgelprospekt trotz seiner gotischen Anleihen ein ganz und gar modernes Design. Das Gehäuse besteht aus Stahl, Glas und Holz und soll bewusst den Zeitgeist widerspiegeln. „Jede Zeit hat ihren Stil“, sagt Karl Göckel. Wie gut sich das Instrument in den neugotischen Innenraum der Rauenberger Kirche einfügt, davon können sich die Besucher am Sonntag überzeugen, wenn die Orgel nach der Weihe und dem Gottesdienst besichtigt werden kann.

Ein großer Tag ist die Vollendung der neuen Orgel auch für all jene, die sich seit vielen Jahren für den Erfolg des Projekts einsetzen. Dessen Anfänge reichen zurück bis Anfang der 90er Jahre, als die Mängel der alten Orgel unüberhörbar wurden. Das Instrument stammte aus der Zeit des Kirchenbaus (Einweihung war 1910) und war Anfang der 50er Jahre von Grund auf überholt und umgebaut worden, ohne indes musikalisch und technisch je zufriedenstellend zu sein, wie der aus Rauenberg stammende und in Freiburg lebende Theologe und Musikwissenschaftler Dr. Michael Fischer schreibt. Anfang der 90er Jahre hatte der Zahn der Zeit so sehr an der alten Orgel genagt, dass sich Registertasten zu lösen begannen und Metallteile zu rosten anfingen. So eine Bestandsaufnahme des früheren Organisten Walter Reißfelder. Kein Wunder, dass sich der Pfarrgemeinderat damals entschloss, ein Orgelsonderkonto einzurichten. Es gingen aber noch einmal rund zehn Jahre ins Land, bis sich der Pfarrgemeinderat im September 2002 endgültig für den Bau einer neuen Orgel entschied. Man folgte damit der Expertise eines unabhängigen Gutachters, der für einen Neubau plädiert hatte.

Vorangegangen war aber eine durchaus kontroverse Diskussion in der Pfarrgemeinde, wie sich die Pfarrgemeinderats-Vorsitzende Roswitha Schöttler erinnert. Es entstand ihren Worten zufolge jedoch eine „positive Reibung“, welche die Gemeinde mit neuem Leben erfüllte und am Ende „sehr gemeinschaftsstiftend“ wirkte. Daran hat sich bis heute nichts geändert, ja der Orgelneubau wurde zu einem Projekt des gesamten Ortes: Kaum ein Geschäft oder Unternehmen, das sich nicht beteiligte. Die Banken, die Stadtverwaltung, die politischen Parteien und Privatleute – alle halfen mit. Bei goldenen Hochzeiten und Geburtstagsjubiläen etwa verzichteten die Jubilare auf Geschenke zugunsten einer Spende für die neue Orgel. Sämtliche musischen Vereine der Gemeinde veranstalteten Benefizkonzerte zugunsten der Orgel, nicht zu vergessen das SAP-Sinfonieorchester, das sein Konzert im kommenden Jahr sogar wiederholen wird. Hinzu kamen die vielen freiwilligen Helfer und die Handwerker, die nach Fronleichnam beim Abbau der alten Orgel ebenso mit Hand anlegten wie jetzt beim Aufbau der neuen. Dank der vielen Helfer und auch dank des erzbischöflichen Bauamts Heidelberg konnte alles „in Rekordzeit“ bewältigt werden, freut sich Pfarrer Harald M. Maiba.

Konzertierte Aktion ganz Rauenbergs

Dass der Orgelbau zu einer „konzertierten Aktion“ ganz Rauenbergs wurde, ist auch ein Verdienst des Fördervereins St. Peter und Paul und seines Vorsitzenden Horst Wien. Im Oktober 2002 gegründet, hat es sich der Förderverein zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe von Sponsoren und Mitgliedsbeiträgen kirchliche Projekte zu unterstützen. Die Renovierung der Michaelskapelle und die Anschaffung neuer Schallläden für den Kirchturm waren so möglich. Wichtigstes Projekt aber ist die neue Orgel. Man gewann nicht nur prominente Schirmherren (wie Weihbischof Dr. Paul Wehrle, Staatssekretär Michael Sieber und Bürgermeister Frank Broghammer), man startete auch eine Patenschafts-Aktion, bei der für jede der 2293 Pfeifen der neuen Orgel ein Pate gesucht wird. Die Beiträge richten sich nach der Größe der Pfeife und reichen von 50 bis 1600 Euro. Mit der Fertigstellung der Orgel ist die Aktion allerdings noch keineswegs beendet. „Man kann immer noch Pate werden“, sagt Horst Wien und hofft, dass sich gerade jetzt, wo die neue Orgel in ihrer ganzen Pracht sicht- und hörbar wird, weitere Spender finden. Ziel ist es nämlich, so viel wie möglich von den Kosten über Sponsoren zu finanzieren. 400 000 Euro wird die neue Orgel kosten. Zehn Prozent davon übernimmt die Erzdiözese, den Rest muss die Pfarrgemeinde aus eigener Kraft aufbringen. Eine stolze Summe gewiss, aber für Pfarrer Harald M. Maiba auch eine lohnende Investition. Für ihn ist die neue Orgel nämlich mehr als ein Instrument. Sie ist auch ein Zeichen dafür, dass Pfarrgemeinde und Kirche leben, „dass sie nicht resignieren, sondern im Aufbruch sind und präsent bleiben“.

mit freundlicher Genehmigung der RNZ