Rauenberg hieß seine alte Glocke daheim willkommen

Ein feierlicher Gottesdienst eröffnete am Sonntag das „Glockenfest“ in der Weinstadt - Anschließend Prozession zum Winzermuseum

Rauenberg. (oé) Schöner hätte sich der Kreis nicht schließen können. Nach einer 80-jährigen Odyssee feierte die Weinstadt am vergangenen Sonntag bei strahlendem Sonnenschein die Rückkehr einer Glocke, die vor 220 Jahren von dem damaligen Rauenberger Schultheißen Jacob Weiskapp und seiner Frau Catharina gestiftet worden war. Eine große Gemeinde hatte sich am Morgen versammelt, um an dem Festgottesdienst teilzunehmen, in dem die Bronzeglocke aus dem Jahr 1783 die Hauptrolle spielte. Unter den Klängen des Jagdhornbläserkreises „Hubertus“ Heidelberg war der 170 Kilogramm schwere und im Durchmesser 60 Zentimeter messende Kultgegenstand in einem eigens gezimmerten Glockenstuhl aus Eichenholz in den „Dom des Angelbachtals“ zurückgekehrt, den die Glocke 1923 verlassen hatte. Damit vollendete sich „ein Stück Rauenberger Kirchen- und Christengeschichte“, wie Pfarrer Harald-Mathias Maiba zu Beginn des Gottesdienstes erklärt hatte.
Für das besonders festliche Gepräge dieser religiösen Feier sorgten zusammen mit Pfarrer Maiba die Geistlichen Pater Mario Oscco und Pater Joachim aus Rauenbergs peruanischer Partnergemeinde Tintay (*) sowie der aus Rauenberg stammende Priester Heinrich Greulich, der nach vierwöchigem Aufenthalt in seiner alten Heimat nun wieder an seine Wirkungsstätte in Brasilien zurückkehrt. Dass dieser Gottesdienst bei den Gläubigen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, war aber ebenso das Verdienst des Kirchenchors „Cäcilia“, der unter der Leitung von Dietmar Schüssler die Messe musikalisch eindrucksvoll und bewegend gestaltete. Nicht zu vergessen der Jagdhornbläserkreis „Hubertus“, der bei einem Stück das Läuten der Glocken mit seinen Jagdhörnern lautmalerisch nachempfand und so die Gläubigen besonders zu ergreifen verstand.
Welch zentrale Bedeutung Glocken für die Christen haben, das unterstrich Pfarrer Harald-Mathias Maiba in seiner Predigt. Er tat dies unter Hinweis auf den Roman „Zeit ohne Glocken“ von Horst Bienek. Darin wird erzählt, wie während des Zweiten Weltkriegs die Glocken einer oberschlesischen Stadt beschlagnahmt werden und die Menschen durch ihr Verstummen erkennen, dass sie es „mit einer gottlosen Zeit und einem gottlosen Krieg“ zu tun haben. Glocken, so der Priester weiter, erinnerten die Menschen daran, dass sie eine höhere Bestimmung hätten als nur „Geld verdienen und Geld ausgeben“. Und Pfarrer Maiba unterstrich, wie wichtig Glocken gerade in unserer heutigen Zeit sind. Ihr Klang rufe die Menschen nicht nur zum Gebet zusammen, er fordere auch dazu auf, sich aus dem Lärm, der Hetze und der Oberflächlichkeit der Welt zurückzuziehen und Besinnung zu finden: „Gott konkurriert nicht mit dem Geschrei auf der Straße, er spricht in Stille und im Schweigen.“
Zuvor hatte bereits Gerhard Geißler, in dessen Winzermuseum die Glocke ihren endgültigen Platz findet, die Geschichte dieser Heimkehr nachgezeichnet - angefangen beim Besuch des Heidelbergers Walter Weisskapp, eines Nachkommen des Stifters, wodurch der Stein ins Rollen kam. Die Rauenberger erfuhren von der Existenz der Glocke, forschten ihrer Geschichte und Irrfahrt nach und bemühten sich schließlich mit Erfolg um die Rückführung aus Reichertshausen. Eine entscheidene Rolle spielte dabei der Rauenberger Heimatforscher Dr. Hans-Dietrich Henschel - nicht nur, indem er durch seine Archivstudien die Identität der Stifter klärte und den Weg der Glocke nachzeichnete, sondern auch, in dem er zusammen mit der Stadt, dem Winzermuseum und dem Kultur- und Heimatverein Rauenberg eine Ersatzglocke für Reichartshausen finanzierte. Endgültig geebnet wurde der Glockentausch schließlich durch den einstimmigen Beschluss der Pfarrgemeinde Reichartshausen, deren Abordnung dafür am Sonntag den Dank der Rauenberger empfing.
Einen weiteren Höhepunkt erlebte das Glockenfest, als die Glocke nach dem Ende des Gottesdienstes von der Gemeinde in feierlicher Prozession zum Winzermuseum geleitet wurde. Dort war schon alles für den Empfang des wertvollen Exponats vorbereitet, das seinen endgültigen Platz im Eingangsbereich des Winzermuseums finden wird - gleich neben dem Uhrwerk der alten Malschenberger Kirche, wie Museumsleiter Gerhard Geißler erläuterte. Dank einer besonderen Aufhängung in dem hölzernen Glockenstuhl lässt sich die Glocke frei drehen und von allen Seiten betrachten. So kann man die Inschrift mit den beiden „Guttaetern“ Jacob und Catharina Weiskapp lesen und auch die Relief-Figuren betrachten, die die Glocke schmücken: der Heilige Jacobus, nach dem die Glocke künftig „Jacobusglocke“ heißen soll, die Heilige Walburga und schließlich das verschlungene RB für Rauenberg.
In dieser verschlungenen Siegelform waren auch die Brezeln gebacken, die zusammen mit einem guten Schoppen Rauenberger Weins im idyllischen Innenhof des Winzermuseums an die Besucher gereicht wurden. Nach Dankesworten der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Roswitha Schöttler ergriffen Bürgermeister Frank Broghammer und Dr. Hans-Dietrich Henschel das Wort. Der Bürgermeister würdigte vor allem die „bemerkenswerte Bürgerinitiative“, der die Rückkehr der Glocke zu verdanken sei. Diese Bürgerinitiative habe das Glockenfest erst möglich gemacht, das die Jubiläumsfeierlichkeiten zur ersten urkundlichen Erwähnung Rauenbergs vor 700 Jahren „auf so wunderbare Weise“ ergänze und abrunde. Nichts symbolisiere auch besser die Verbundenheit von politischer und kirchlicher Gemeinde im Rahmen der 700-Jahr-Feier als eben diese alte Rauenberger Glocke von 1783, die ja von einem seiner Vorgänger auf dem Schultheißensitz gestiftet worden war, erklärte der Bürgermeister. Wer der Schultheiß Jacob Weiskapp und seine Ehefrau Catharina waren, welche Spuren sie in der Rauenberger Ortsgeschichte hinterlassen haben und was für ein Schicksal ihrer Glocke beschieden war, das beleuchtete Dr. Hans-Dietrich Henschel in einem kleinen historischen Exkurs, bevor es schließlich Zeit für ein kleines Mittagsmahl war, zu dem die Museumshelfer Eintopf servierten. Der Musikverein Rauenberg, der zuvor schon die Prozession begleitet hatte, spielte zu einem kleinen Platzkonzert auf, und auch die Jagdhornbläser in ihren historischen Kostümen ließen noch einmal ihre Instrumente erklingen.
Kurzweilig und unterhaltsam ging es dann während des Nachmittags bei Kaffee und Kuchen im idyllischen Museumshof weiter: Der Kirchenchor wartete mit alten Volksliedern auf (darunter „Die Glocken der Heimat“), Museumsleiter Gerhard Geißler und Bürgermeister Frank Broghammer betätigten abwechselnd die Drehorgel und die Volkstanzgruppe Rauenberg führte ein paar beschwingte Ländler auf. Zum stimmungsvollen Abschluss trug dann Gerhard Geißler einige heitere Rauenberger Geschichten und Anekdoten in Versform aus der eigenen Feder vor.

mit freundlicher Genehmigung der RNZ

(*) Pater Joachim stammt nicht aus Tintay, sondern aus Polen (Anm. des Webmasters)